DARMSTADT-DIEBURG - Mit den Verwandten Kontakt halten, sich über politische Entwicklungen informieren und manchmal einfach nur die Zeit totschlagen: Viel mehr bleibt vielen Asylbewerbern im Alltag gar nicht, die darauf warten, dass über ihren Aufenthaltsstatus beschieden wird. Zugang zum Internet? Das hilft. Und das wissen auch Peter Löwenstein und Dirk Steingäßer von der Initiative “Freifunk Darmstadt”, einem Projekt der Darmstädter Vertretung des “Chaos Computer Clubs”. Entsprechend froh sind die beiden, dass sie vor Kurzem die Flüchtlingscontainer an der Modautalschule in Ernsthofen mit einem regional aufgespannten WLAN-Netzwerk ausstatten konnten.

An vielen anderen Stellen im Landkreis gibt es jedoch noch Bedarf - und der werde, da zeigt sich Initiativensprecher Löwenstein verärgert, seitens der Kreisverwaltung aktiv ausgebremst. “Im Sommer letzten Jahres haben wir darüber gesprochen, dass wir gerne die Unterkünfte mit WLAN versorgen wollten”, erinnert sich Löwenstein an den Beginn dieser mit seinen Worten “humanitären Aufgabe”.

Der Kontakt zu Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch war schnell aufgenommen, die Idee, möglichst viele Flüchtlinge ans Netz zu bringen, zügig kommuniziert. Im September erhielt Löwenstein dann einen Anruf von Partsch, dass Darmstadt die Unterstützung der Freifunk-Initiative so schnell wie möglich nutzen wolle. “Wir haben dann bis zum vierten Advent alle uns angefragten Unterkünfte in Darmstadt versorgt.” Zu Spitzenzeiten hätten etwa 1200 Flüchtlinge von dem Angebot profitiert.

Im Landkreis Darmstadt-Dieburg gestaltet sich das Vorgehen ungleich schwieriger. “Wir hatten in vielen Telefonaten das Gefühl, dass man mit uns nicht arbeiten will.” Als Grund sei angeführt worden, dass vor der Umsetzung die Rechtmäßigkeit und die Sinnhaftigkeit der technischen Funktionsweise noch überprüft werde.

Dazu muss man wissen, dass bei der Freifunk-Initiative benachbarte Internetrouter ein gemeinschaftliches Netzwerk aufbauen, durch das Daten ausgetauscht werden. Die Initiative tritt dabei im Sinn eines Internetserviceproviders (ISP) auf, die sogenannte Störerhaftung (siehe Infobox) greift hier nach eigener Einschätzung nicht.

Dennoch gibt es bisher keine Entwicklung seitens der Kreisverwaltung, “Freifunk” zu unterstützen. Obwohl im Kreistag im vergangenen Jahr sogar ein CDU-Antrag auf der Tagesordnung gestanden hat, der die Versorgung der Flüchtlingsunterkünfte mit WLAN als Prüfantrag zum Inhalt hatte. Doch geprüft wird immer noch, so dass “Freifunk” inzwischen an der Modautalschule in Ernsthofen - dank der Unterstützung eines Anwohners, der eine Richtfunkantenne auf seinem Dach installieren ließ - einfach aktiv wurde. Den Aussagen nach habe Christel Fleischmann als Erster Kreisbeigeordneter für diesen konkreten Standort keinen Widerspruch eingelegt.

Auf ECHO-Anfrage ist aus dem Landratsamt allerdings nach wie vor eine abwartende Haltung zu spüren. “Über das Ergebnis der Prüfung wird der Kreisausschuss zunächst den Kreistag, in dessen Auftrag diese Prüfung erfolgt, informieren”, erklärt Pressesprecher Frank Horneff.

Einen unterstellten Spagat zwischen der Haltung des Landrats und der Rolle von Christel Fleischmann gebe es nicht, so Horneff. “Eine Genehmigung zur Installation wurde von dem Ersten Kreisbeigeordneten Fleischmann nach Mitteilung aus seinem Büro nicht erteilt.” Das bedeute auch: Der Landkreis sei hier nicht in der Haftung.

Quelle: “Viele Flüchtlinge bleiben offline”, Darmstädter Echo, 23. Mai 2016